Pilgerfahrten und Schreine (Pilgrimage and Shrines)
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Pilgerfahrten sind eine sehr alte Tradition. Im frühen Islam sind sie eng mit der Kaaba in Mekka verbunden, die wiederum mit Abraham und vor ihm (in einer Reihe von Überlieferungen, die dem Propheten zugeschrieben werden) mit Adam in Verbindung gebracht wird. Die meisten Historiker*innen sind sich einig, dass die Verehrung der Kaaba in Mekka sehr früh begann und bereits vom römischen Astronomen und Geographen Ptolemäus (gest. um 170 n. Chr.) erwähnt wurde. Die antike jüdische Meinung, wie sie in den Werken des Historikers Josephus (gest. um 100 n. Chr.) zum Ausdruck kommt, sah die Araber als Nachkommen Abrahams an, was die enge Verbindung zwischen Abraham und der Kaaba in der muslimischen Tradition erklärt. Auch Jerusalem war für die frühe muslimische Frömmigkeit von Bedeutung und gilt nach gut belegter muslimischer Überlieferung als die erste Gebetsrichtung (qibla) im Islam, bevor diese nach der Auswanderung des Propheten nach Medina durch die Kaaba ersetzt wurde. Die Muslim*innen begannen in den letzten Lebensjahren des Propheten mit der Eroberung der bekannten Welt. Unter der Herrschaft seines zweiten Nachfolgers (bzw. Kalifen) als Herrscher der muslimischen Gemeinschaft, ʿUmar b. al-Khaṭṭāb (gest. 23/644), eroberten die Muslim*innen das Heilige Land. Die Byzantiner*innen hatten den Ort, an dem sich heute das Heiligtum al-Masjid al-Aqṣā (die „entfernteste Moschee”, die mit der nächtlichen Reise des Propheten von Mekka nach Jerusalem und von dort in den Himmel in Verbindung gebracht wird) befindet, als öffentliche Abfallstätte genutzt, um die Prophezeiung des Neuen Testaments zu erfüllen, dass „kein Stein auf dem anderen bleiben wird; alles wird niedergerissen werden” (Matthäus 24:2). Der Kalif Umar liess den Ort säubern und ein einfaches Gebäude für die Gebete der Gläubigen errichten. Der fränkische Pilger Arculf (gest. ?), der die Stadt um 670 n. Chr. besuchte, liefert uns einen frühen Bericht darüber, wie dies ausgesehen haben muss. Auch andere Stätten (darunter die Moschee und das Grab des Propheten in Medina) wurden zu wichtigen Pilger- und Verehrungsstätten. Es ist schwierig, die frühe Entwicklung dieser Praktiken im Detail nachzuzeichnen, aber man sollte den Einfluss der christlichen Bevölkerung des Nahen Ostens berücksichtigen, deren Verehrung von Heiligen und deren Reliquien zu diesem Zeitpunkt bereits seit vielen Jahrhunderten bestand. Wahrscheinlich spielten dabei die Schiiten (die muslimische Gruppe, die glaubt, dass ʿAlī, der Gefährte des Propheten Muhammad, am ehesten berechtigt war, seine Nachfolge als Führer der muslimischen Gemeinschaft anzutreten) eine Schlüsselrolle. Bald breiteten sich diese Entwicklungen ohnehin über die Grenzen der konfessionellen Gruppen der Schiiten hinweg aus. Wir wissen, dass der Kalif al-Mutawakkil (gest. 247/861) das Grabmal über der Grabstätte des Enkels des Propheten, al-Ḥusayn (in Karbala im Irak), zerstören liess. Die Verehrung von Gräbern und ihren Bewohnern war unter Muslimen schon sehr früh umstritten, da der Prophet zahlreiche Kritikpunkte an der Verehrung der Heiligen durch die Christen geäussert und angeblich angeordnet hatte, dass Gräber nicht höher als eine Handbreit sein dürften. Dennoch sind Schreine und ihre Besichtigung seit vielen Jahrhunderten ein wichtiger Bestandteil der muslimischen Frömmigkeit, sowohl in ländlichen als auch in städtischen Kontexten. Jede Stadt in der muslimischen Welt hat ihre berühmten Gräber, die mit lokalen Heiligen in Verbindung stehen. In vielen Fällen gehören zu den Besuchern dieser Stätten auch Nicht-Muslime. Der Besuch von Schreinen zum Zweck der Suche nach „Segen“ (tabarruk) ist seit langem ein wichtiges Merkmal des Sufismus, und die moderne und vormoderne Kritik am Sufismus ist eng mit der Kritik am muslimischen Heiligenkult verbunden.
Pilgrimage is a very ancient practice. In the context of early Islam, pilgrimage is strongly associated with the Kaʿba in Mecca, connected to Abraham and (in a number of traditions attributed to the Prophet) to Adam before him. Most historians agree that veneration of the Kaʿba in Mecca is very early and is mentioned by the Roman astronomer and geographer Ptolemy (d. c. 170 CE). Ancient Jewish opinion, as reflected in the works of the historian Josephus (d. c. 100 CE), thought the Arabs to be of Abrahamic descent, which helps to explain the close association between Abraham and the Kaʿba in Muslim tradition. Jerusalem was also significant to early Muslim piety and is regarded by well-attested Muslim tradition as the first direction of prayer (or qibla) in Islam, before this was replaced with the Kaʿba following the Prophet’s migration to Medina. Muslims embarked on the conquest of the known world in the final years of the Prophet’s life, and during the reign of his second successor (or caliph) as ruler of the Muslim community, ʿUmar b. al-Khaṭṭāb (d. 23/644), conquered the Holy Land. The Byzantines had kept the site of what is now the sanctuary of al-Masjid al-Aqṣā (the “Furthest Mosque,” associated with the Prophet’s nocturnal journey from Mecca to Jerusalem and thence to the heavens) as a communal dump in fulfilment of the New Testament prophecy that “not one stone here will be left on another; every one will be thrown down” (Matthew 24:2). The caliph ʿUmar ordered the site cleansed and had a simple structure built there to accommodate worshippers for prayer. The Frankish pilgrim Arculf (d. ?), who visited the city c. 670 CE, provides us with an early testimony of what this must have looked like. Other sites (including the mosque and tomb of the Prophet in Medina) also became important as sites of pilgrimage and veneration. It is hard to sketch the early development of these practices in detail, but one should bear in mind the influence of Near Eastern Christian populations, whose veneration of saints and their relics had by this point been going on for many centuries. It is likely that the Shīʿa, the sect who believes that the Prophet’s Companion ʿAlī was most entitled to succeed him as leader of the Muslim community, played a key role in these developments, which soon in any case quickly spread across sectarian boundaries. We know that the caliph al-Mutawakkil (d. 247/861) had the tomb built over the burial place of the Prophet’s grandson al-Ḥusayn (in Karbala in Iraq) demolished. The veneration of tombs and their occupants has been controversial among Muslims from a very early period, owing to the Prophet’s numerous reported criticisms of Christians’ veneration of their saints and his reported command that graves not exceed one handspan in height. Nonetheless, shrines and their visitation have constituted an important element of Muslim piety for many centuries, in both rural as well as urban contexts. Any city in the Muslim world will have its famous tombs associated with local holy persons. In many contexts, visitors to these sites include non-Muslims. Shrine visitation for the purposes of seeking “blessings” (i.e. tabarruk) has long been an important feature of Sufism, and the modern and premodern critique of Sufism is closely associated with criticism of the Muslim cult of saints.
